Montag, 22. Januar 2018

Aus meiner Sicht: Mittelalter und Pferd (+Literaturvorschläge)

Die Schnittmenge der im weitesten Sinne im Hobby 'Mittelalter' aktiven und derer, die mit Pferden zutun haben ist wirklich sehr groß. Immerhin leitet sich das Wort 'Ritter' vom reiten ab. Ein Ritter ohne Pferd, der nicht reitet, ist in der mittelalterlichen Kultur undenkbar. Ein Ritter ist ein berittener Krieger, der von alters her die Aufgabe hat seine Mitmenschen zu schützen. Vor anderen Menschen. Hier wird es etwas territorial und überfordert die meisten im Hobby schon.

Aber bleiben wir im hier und jetzt. Wie setzt sich die Mittelalter Szene zusammen? Für unbeteiligte drängt sich immer die Assoziation 'Ritter' und 'Burgfreäulein' auf. 'Ritter' stecken in Vollplattenrüstung, arme Ritter in Kettenhemden und wer sich das nicht leisten kann wird Söldner, da reichen lederne Arm- und Beinschienen. Für die wenigsten gehört aber ein Pferd dazu. Das sind alles 'Fußgänger'. So ein Pferd ist ja schließlich auch ein Kostenfaktor. Und im Gegensatz zur schicken Rüstung nicht nur in der Anschaffung. Das Tier muss gefüttert, untergebracht und gesund erhalten sowie bewegt werden. Und natürlich der zusätzliche Aufwand beim Transport ist nicht zu vernachlässigen.

Trotzdem haben viele Darsteller Pferde. Viel mehr als man auf Veranstaltungen sieht. Dass diese nicht 'mittelalterlich' geritten (was auch immer man sich darunter vorstellen mag) und zur Schau gestellt werden hat sicherlich verschiedene Gründe. Manches Pferd mag nicht für den Trubel, den so eine Veranstaltung mit sich bringt geeignet sein. Vielleicht traut sich der Reiter nicht. Vielleicht hat er keine Transportmöglichkeit.

Und vielleicht macht man sich wirklich Gedanken, wie sinnvoll es ist tatsächlich mit einem Pferd auf dem Lager zu erscheinen. Nimmt man an einem Turnier Teil? Gibt es überhaupt die Möglichkeit als Einzelperson oder Kleinstverband von 2-3 Person an einem Turnier Teil zu nehmen? Ich persönlich würde nicht mit völlig fremden an einem Turnier partizipieren wollen. Wer weiß, was die können oder nicht können? Die meisten Veranstalter werden auf Nummer sicher gehen und professionelle Reitergruppen engagieren. Da es schnell gefährlich werden kann, nicht nur für die Teilnahme, sondern auch für die Besucher, muss man hier Haftung und Maßgaben der Versicherung, so wie der Gemeinde beachten.
Will ich etwas eigenes vorführen? Ein kleines Theaterstück vielleicht? Oder etwas rund um das Pferd und Reiten im Mittelalter erklären anhand praktischer Darbietungen?
Oder will ich stumpf über das Gelände schaukeln auf meinem 'hohen Ross' und in den bewundernden und vielleicht neidischen Blicken der Besucher und anderen Teilnehmern baden?

Mal davon abgesehen, dass so eine Veranstaltung Stress für Mensch und Tier bedeuten kann, kommt der zusätzliche Aufwand und Kosten dazu.

Und seien wir mal ehrlich, von den wenigen Pferden, die auf Veranstaltungen anzutreffen sind, sind noch viel weniger wirklich historisch, wenn schon nicht authentisch, ausgestattet. Western- und Barocksättel sieht man viel, und den dazu passenden Zaum. Aber Hauptsache das Pferd hat eine möglichst bunte, flatternde Kuvertüre an (Gespensterpferde ^_^). Oder immer wieder lustig, selbst zusammengenietete Trensen, die möglichst urig auszusehen haben. Vielleicht versucht der geneigte Reiter es mal mit einem Buch? Ist ja nicht so, als müsste man komplett raten und selbst konstruieren um was historisches ans Pferd zu bekommen. Da gäbe es natürlich Medieval Horse and its Equipment, c.1150-1450 (Medieval Finds from Excavations in London, Band 5). Ist jetzt schon schwieriger, da es auf englisch ist, aber es gibt ja noch andere Publikationen. Wie wäre es mit Pferde im Mittelalter. Instrument oder Statussymbol?: Zur kulturell-gesellschaftlichen Bedeutung eines Tieres und der englischen ritterlich-höfischen Kultur im 12. Jahrhundert oder vielleicht Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Beiträge zu einer vergleichenden Formen- und Verhaltensgeschichte des Rittertums. Einundzwanzig Beiträge. Das sind jetzt nur sehr speziell Beispiele, die auf das Thema Pferd und seinen 'Gebrauch' gemünzt sind. Natürlich gibt es noch viele nützliche Informationen in eher allgemein gehaltenen Büchern und in guten Büchern über das Rittertum, Reisen (z.B. Norbert Ohler: Reisen im Mittelalter ) und manche Monographien zu historischen Ereignissen (z.B. Ulrich Lehnart: Die Schlacht von Worringen 1288. Kriegführung im Mittelalter).

Zugegeben, solche Bücher sind nicht immer wirklich billig und manchmal nicht problemlos zu bekommen, wenn sie nicht mehr gedruckt werden, aber gebrauchte Bücher tun nicht weh und sind oft (nicht immer!) günstig zu bekommen.

Trotzdem gibt es aber noch genug Mittelalterdarsteller, die gleichzeitig Reiter und/oder Pferdebesitzer sind und gar nicht vorhaben jemals mit ihrem Pferd an Veranstaltungen Teil zu nehmen, aus allen oben genannten Gründen. Und vielleicht auch nur aus einem. Ich bin eine Frau. Ich kann nicht wirklich glaubhaft einen Ritter darstellen. Ganz ehrlich, ich persönlich finde es auch albern. Emanzipation hat in der Darstellung nichts zu suchen. Dafür gibt es Fantasy, da ist alles möglich. Und es spricht rein gar nichts dagegen beide Hobbys auszuüben. Man muss ja nur trennen können. Schließlich kann man auch mehrere Sportarten ausüben und kommt nicht auf die Idee den Ball beim Volleyball mit dem Fuß zu schießen.
Und da ich nicht der Typ bin vom Pferd herab auf Leute schauen zu müssen (jaja, kann ich auch so ganz gut), ich keine Vorträge oder Demonstrationen zum Thema geben möchte oder kann und meine Teilnahme an irgendwie geartete Theaterstücke an sehr viele Bedingungen geknüpft wäre, ist das Pferd als aktiver Teil meiner Darstellung kein Thema für mich.

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